Linhard schüttelte kaum merklich in einer hilflosen Geste den Kopf.
"Ach Brand, ich verkrafte die Information nicht erstaunlich gut. Um das Verkraften mache ich mir noch gar keine Gedanken. Ich habe keine Ahnung wie ich reagieren soll. Selbstverständlich habe ich gehört und erfasst was Dunwin mir erklärt hat, aber das tatsächliche Begreifen steht noch aus.
Ich fühle mich wie betäubt und vor den Kopf geschlagen. Und ich habe Angst über die Information zu lange nachzudenken, weil dann... ja was dann? Ich weiß nicht einmal das.
Mir kommt es so vor, als hat Dunwin über einen Fremden gesprochen, jemanden den ich hassen müsste. Aber in mir ist kein Hass, nicht einmal Wut Brandur. In mir ist nur Kälte, Leere und Angst.
Angst davor zu versagen und all das zu verlieren, was ich gerade erst gewonnen habe zum ersten Mal im Leben.
Deine Worte zweifele ich nicht an, Du sprichst die Wahrheit, wer ist Ansgar als ein weiterer Vater, der seinen Sohn nicht lieben kann, weil ihm die Gabe fehlt? Auch darauf habe ich keine Antwort, hätte ich sie gefunden, hätte dies aber für mich nichts geändert. Ich wäre trotzdem geblieben wer ich war, der Sohn ohne Gabe.
Nein ich habe Dunwins Leiche nicht gesehen Brand, wie so vieles andere vorher ebenso wenig.
Und auch da gleiche ich wohl meinem Großvater. Uns fehlt nicht nur die Gabe, wir laufen auch scheinbar mit Scheuklappen durch die Welt. Nur jeder lebte es anders aus. Er in Wut und ich in Hoffnungslosigkeit.
Ebenso kann ich Dir die Frage nicht beantworten, ob Ansgar so weit gegangen wäre, mich jemanden zum Fraße vorzuwerfen. Das vermutlich nicht, nein.
Auf der anderen Seite kann ich Dir sagen, als wir uns gegenüberstanden war er bereit mich zu töten. Das weiß ich, ich sah es in seinen Augen. Den gleichen Blick sah ich in seinen Augen, als er andere tötete. Und den Blick sah ich auch in den Augen von Männern wie Frauen, die bereit waren mich zu töten und durch meine Klinge fielen.
In dem Moment war ich nicht mehr sein Sohn, ich war nur eines - sein Feind.
Der Feind der seine Frau und sein Kind bedroht und ausgemerzt werden muss.
Aber vielleicht war ich das für ihn schon immer.
Wir wissen schließlich die Maske zu tragen und das Spiel zu spielen, nicht wahr?
Und Vater spielt das Spiel schon wesentlich länger als ich.
Ob Dunwin seinen Söhnen etwas schuldet? Keine Ahnung Brand, nach Deiner These schulden wir uns alle nichts und ich glaube das wäre auch besser so. Vielleicht sollten wir aufhören uns einander etwas vorzurechnen. Vielleicht sollten wir anfangen etwas zur Sprache zu bringen, wo wir doch bereits lernen zu schweigen, wo andere das Sprechen erst lernen.
Nun Ihr beiden wart offen und ehrlich zu mir, was ich von anderen nicht behaupten kann. Zwar wurde ich nicht belogen, aber ist Verschweigen nicht auch eine Form von Lüge? Genauso wie Nichtbeachtung eine Strafe ist?
Mein Weg hat mich noch nicht weit von Zuhause weggeführt, aber letztendlich wäre ich ihn wohl bis zum bitteren Ende alleine gegangen.
Ich folge Dir nicht grundlos Brand, ebenso hat es einen Grund warum ich Dich mag. Du gibst den Weg vor und ich folge Dir, wohin Du auch gehen magst. Es ist mir gleichgültig. Für mich gibt es keinen Weg zurück, jedenfalls nicht in dieser Form.
Ich hoffe Du hast Recht und ich schaffe es unseren Namen rein zu waschen und vor allem auch rein zu halten. Es ist nicht damit getan einige Familienmitglieder aus dem Weg zu räumen. Wir können sie nicht alle töten. Und ich möchte sie auch nicht alle töten. Einige bedeuten mir etwas. Wir müssen es schaffen einige davon zu überzeugen, von sich aus den dunklen Pfad zu verlassen und uns zu folgen", erklärte Linhard leise.
Lin wusste die Geste von Brandur zu schätzen, als er seine Hand drückte, gleichgültig wie kurz die Geste war und wie sich die Hände von Brandur anfühlen. Er sagte nichts dazu, sondern schmunzelte heimlich in seine Decke hinein.
"Zu Befehl, ich schlafe. Ich freue mich auf die Nachtburg. Schlaf gut Brand", gähnte Lin.
Er wälzte sich noch einen Moment hin und her, bis er angenehm lag. Einige Minuten später war er eingeschlafen.