„Entenbraten ist nicht fettig, sondern nahrhaft“, belehrte Brandur, während er etwas sehnsüchtig die Stockenten betrachtete, die in dem Wasserbecken gründelten. „Dosiert genossen ist Fleisch nicht gesundheitsschädigend, sondern kräftigend.“ Brandur brachte das abgenagte Kerngehäuse, welches unter Rakshanern auch als 'Grieps' bekannt war, auf den Kompost, anstatt es irgendwo auf den Boden zu werfen und achtete darauf, dass auch Lin das tat. Schließlich war er ein alter Mann und musste bei Kräften bleiben. Erst nachdem er auch noch in Ruhe einige Beeren und Nüsse verzehrt hatte, führte Brandur seine beiden Gäste ins Innere der Burg. Er suchte sich zuerst seinen Ersatzgehstock, da ihm inzwischen der Rücken wieder weh tat von dem vielen Gelaufe.
Er begann bei den oberen, freundlichen Etagen, von wo aus er Linhard und Dunwin immer weiter in die Tiefe führte bis zum Allerheiligsten. Oben gab es viel Licht, die Fenster und Türen waren weitestgehend intakt und in den meisten Räumen stand noch das verstaubte Mobiliar.
„Hier trinke ich gern Tee. Ich schätze die wohnliche und freundliche Atmosphäre dieses Raums, auch wenn nach Kasimirs Meinung hier zu viele unterschiedliche Farben und Muster verwendet wurden. Auch gefällt mir die bemalte Tapete mit der Familie im Garten. Ich wüsste gern, ob dies die Familie des ehemaligen Burgherrn ist oder eine fiktive Familie. Ich stelle mir gern vor, dass sie hier einst lebten.“
Im ersten Kellergeschoss zeigte er ihnen den Sezierkeller. Er war sauber und aufgeräumt, es lagen momentan keine Leichen oder Leichenteile hier. Die befanden sich im Lager oder waren bereits verbrannt worden.
„Mein Arbeitszimmer“, sagte er nur und wartete, damit sie sich in Ruhe umschauen konnten. Er zeigte ihnen auch alle anderen Orte, die mir seinen nekromantischen Praktiken verbunden waren. Die Feuerstelle, die er sein Krematorium nannte, die Knochengrube für jene Überreste, die sich nicht verbrennen ließen, das Gerüst zum Trocknen von Fleisch, die Vorräte von Trockenblut für Kasimir.
„Einen Vampir zu ernähren in so einer abgeschiedenen Gegend ist schwierig. Dennoch möchte ich auf Kasimirs Dienste nicht verzichten. Er kann nicht das Blut von Toten trinken, meine Probanden müssen noch leben, wenn sie zu mir kommen. Ich leite ihr Blut aus dem noch lebenden Körper und dies ist gleichzeitig meine Art, sie zu töten. Ich halte es für human, es ist nur ein kleiner Schnitt und sie werden immer müder, vielleicht ist es, als würden sie einschlafen. Trotz allem bevorzuge ich eine ethische Art Nekromantie, auch wenn das paradox klingen mag. Das getrocknete Fleisch spare ich für Ghule auf, als Tauschobjekt für die Rakshaner.“
Nachdem er ihnen alles gezeigt hatte, all die verwinkelten Gänge und Nebenräume, blieb er vor dem einen der einzigen beiden Räume stehen, welchen sie noch nicht gesehen hatten. Der eine war hier, der andere am anderen Ende des Kellers. Diesen würde er ihnen nicht zeigen, denn darin wartete Viola auf seine Rückkehr.
Doch diesen hier …
„Linhard. Nimm die Kette zur Hand. Der Anhänger ist ein Schlüssel. Ich habe ihn und das Schloss dazu aus Knochenschmelz geformt, darum hat er diese ungewöhnliche Form und ist ohne Kenntnis kaum als Schlüssel zu identifizieren. Öffne diese Tür. Zuvor darf ich euch beide um Diskretion bitten. Wer sich dazu nicht im Stande sieht, seinen Humor draußen zu lassen oder unangebrachte Äußerungen zu verkneifen, sollte nun gehen.“
Er sagte dies drohend, denn er war sehr nervös. Brandurs Herz klopfte ihm bis zum Halse. Dieser Raum war nie für andere Augen als die seinen bestimmt gewesen und lediglich Kasimir hatte sonst noch je von ihm wissen sollen.