Ein nicht ganz grüner Gast

  • "Arbeit ist toll. Dabei könnte ich den ganzen Tag zusehen."


    Auf einer unsagbar dreckigen Picknickdecke in der Nähe der Ruinen saß Sodo Mio, der Halbork. Er saß dort samt einem Korb, der mit schrumpligen gelben Äpfeln vom letzten Herbst gefüllt war, die er aus einem Schweinetrog eines Vorortes entwendet hatte, um Geld zu sparen. Wie lange er den beiden Männern schon beim Aufräumen zusah, war für einen Außenstehenden schwer zu sagen. Bestenfalls war es am Füllstatus seiner Limonade zu erahnen, die noch recht voll war. Er schwenkte die Flasche, um die Zitronenmelissenblätter und den Rohrzucker zu verwirbeln, ehe er aus dem Strohhalm noch einen Schluck schlürfte, ohne die zwei Recken aus den Augen zu lassen.


    "Vor einigen Jahren hat man mir siebzig Taler dafür geboten, dass ich hier an diesem verfluchten Ort Ordnung schaffe!"

  • Bei dem Ruf schreckte Eorur hoch, schirmte die Augen mit der schwieligen, schmutzigen Hand ab und sah einen Ork. Er schien jünger zu sein, denn er wirkte von der Statur noch nicht ganz so gewaltig. Schlürfte der Ork dort eine Limo? Bei dem Anblick spürte Eorur schlagartig, wie durstig er selbst war. Ein gesunder Durst, den er sich nicht versagen wollte.


    Er griff zu dem Krug Wasser, den er für sich und Garlyn bereit gestellt hatte. Vielleicht nicht das beste Wasser, aber gut und ohne jede Prozente, die einen in den Abgrund reißen konnten. Er hob den Krug zum Gruße an den Ork und nahm selbst einen Schluck. Mit zufriedenem Seufzer stellte er den Wasserkrug wieder ab und streckte sich. Eine kleine Pause konnte nicht schaden und so wandte er sich ihrem Zaungast zu.


    "Grüße. Tja siebzig Taler können wir Dir nicht anbieten, die hätten wir selbst gerne. Aber Du kannst Dich uns gerne anschließen. Freie Kost und Logis, jedenfalls sobald wir etwas da haben. Dies hier wird unser Lager, helfende Hände sind willkommen und wir sind dankbare Kameraden. Was sagst Du? Und nebenbei wie heißt Du überhaupt? Das ist Garlyn und ich bin Eorur", rief Nordkling herüber und grinste.


    "Mal sehen ob wir bald zu dritt sind, was Garlyn? Eine Gruppe beginnt doch mit drei Leuten, das wäre was", lachte Eo gut gelaunt. Ihre Heimat würde Gestalt annehmen, wenn der Ork zusagte. Gleich zwei Hände mehr, die mit anpacken konnten. Nun falls sie denn würden. Bis jetzt sah es so aus, als schlürfte der Gast lieber Limo.


    Eo versuchte sein bestes Lächeln aufzusetzen, um den Neuzugang für sie zu gewinnen.

  • "Ich vermute, der Kerl wurde um die siebzig Öcken geprellt, sonst würde es hier anders aussehen." Garlyn patschte Eorur von hinten auf die schweißnasse Schulter. Leise sagte er: "Den kenne ich, das ist ein Söldner. Der war unter der alten Leitung Späher und Kundschafter. Den brauchen wir."

  • "Sodo Mio", stellte er sich vor. Natürlich war das ein Künstlername, doch was ging irgendjemand der Name an, mit dem seine Mutter ihn einst gerufen hatte? Er konnte dessen Klang nur schwer ertragen und sein neuer Namen zauberte vielen ein Grinsen auf das Gesicht.


    "Bevor ihr fragt, ich bin kein Ork, sondern ein Halbork. Abartige Körperkraft und animalischen Blutrausch kann ich nicht bieten. Aber zwei scharfe Klingen und einen noch viel schärferen Verstand!


    Vorausgesetzt, ihr seid nicht nur zwei Bauarbeiter, sondern Leute, die hier was zu melden haben, sobald der Laden steht. Oder Bauarbeiter mit dem nötigen Kleingeld, einen hochqualifizierten Söldner wie mich zu bezahlen."

  • Eorur drückte kurz die Pranke von Garlyn und nickte so minimal, dass es nur sein rothaariger Kumpel sehen konnte. Jedenfalls hoffte Eo das.


    "Sodo Mio Du siehst hier die stolzen Besitzer dieses wundervollen, im Aufbau befindlichen Lagers. Das es noch nicht in voller Pracht und Herrlichkeit erstrahlt, liegt an unseren alten, müden Knochen. Ein Halbork? Gleich was Du bist, Du bist uns willkommen. Einen Blutrausch können wir hier nicht gebrauchen, es sei denn er würde Dir erlauben, dass Lager binnen Stunden auf die Beine - sprich Mauern und Wände zu stellen. Komm doch zu uns rüber und wir reden ein bisschen. Wir können eine Pause gebrauchen und ein paar Minuten mehr schadet dem Lager nicht.


    Zum Thema Bauarbeiter, nein wir sind die Leute die was zu melden haben und sich keine Bauarbeiter leisten können. Drum schufften wir hier mit eigentlich ganz mäßigem Erfolg. Scharfe Klingen, scharfer Verstand und eine ebensolche Zunge. Du wärst genau der richtige Mann zur Verstärkung unserer Truppe. Wir suchen nur die Besten. Oder jene die genauso verzweifelt sind wie wir", grinste Eo gut gelaunt.

  • "Ha", rief Sodo. "Das nenne ich eine ehrliche Werbung! Die solltet ihr auf ein Plakat schreiben." Er erhob sich und kam mit der Limonade zu dem beiden anderen Söldnern. Jäh verrutschte ihm das selbstgefällige Grinsen.


    "Ist das", krächzte er, um dann urplötzlich zu salutieren. "Kommandant Meqdarhan! So eine Freude!"


    Da stand er, klobig und rothaarig, der Mann, auf dessen Leichnam er voll Vergnügen einst gespuckt hatte. Wie war das möglich?


    "Und wer sind SIE?", fragte er rasch den anderen.

  • "Meine Wenigkeit ist Eorur Nordkling bekannt auf ganz Asamura für seine heldenhaften Taten. Über mich wurden schon Lieder gesungen, Gedichte geschrieben und Eier nach mir geworfen. Spaß beiseite, ich bin tatsächlich Eorur Nordkling und Söldner. Vor einer gefühlten Ewigkeit habe ich hier ebenso mein Geld verdient, wie so manch anderer. Dann ist das Lager auf unerklärliche Weise zerstört worden. Vermutlich waren es die Banditen, die hier eingefallen sind wie ein Schwarm Stechfliegen und jeden der nicht fliehen konnte, niedergemacht haben.


    Die Männer kamen aus dem Nichts Sodo Mio, schwarz gewandet und mit einer Wut und einem Blutdurst, der nicht natürlich war. Hier hatte jemand noch eine Rechnung offen und wer immer sie nicht bezahlen konnte, hat die anderen dafür bluten lassen. Wüsste ich es nicht besser, hätte ich dort eine ganz bestimmte Vermutung. Aber so wild die Angreifer auch waren, so gründlich waren sie auch.


    Richtig, dass ist Kommandant Meqdarhan, Garlyn. Ihr kennt Euch?", fragte Eo und setzte sich auf den Boden.

  • "Kann man so sagen, Eo."


    Die letzten Momente mit dem Halbork, an die Garlyn sich erinnerte, waren positiv. Im Gegensatz zu vielen anderen Kameraden war Sodo ihm niemals betrunken aufgefallen. Er hatte ihn zwar bisweilen als Schwätzer in Erinnerung, jedoch schien das vor allem Sodos fantasievollem Hang zum Geschichtenerzählen geschuldet zu sein denn der Angeberei oder gar der bewussten Täuschung. Diese Eigenart mochte man oder man mochte sie nicht, spätestens des Abends am Lagerfeuer hörten viele ihm gern zu.


    Vor allem aber war Sodo Mio eins:


    "Der beste Mann für den Untergrund. Eine eher spezielle Qualifikation, aber was Höhlen oder gar den Taudis anbelangt, kenne ich niemanden, der sich besser darin zurechtfindet. Also falls unsere Truppe zufällig mal in einen Gully fällt ..."


    Garlyn kratzte seinen Bart.

  • Eorur musterte Sodo Mio auf Garlyns Worte hin und schenkte ihm ein freundliches Grinsen. Jedenfalls sollte es freundlich aussehen. Ob Eo das gelang, wusste er nicht. Er war müde, abgespannt und verdreckt, aber er freute sich sehr über ihren Neuzugang. Vor allem, da Garlyn den Burschen schon kannte und ihn in guter Erinnerung behalten hatte. Eine bessere Empfehlung konnte es nicht geben. Ob sie allerdings in den Untergrund reisen wollte, wagte Eorur zu bezweifeln. Aber dafür musste man bekanntlich nicht in den Taudis hinabsteigen, der Taudis fand einen auch so und er hatte viele Formen. Eorur war stolz darauf seinem Abgrund der Flasche entkommen zu sein.


    "Das nenne ich mal eine Empfehlung, damit bist Du mir willkommen Sodo Mio. Garlyns Freunde sind meine Freunde. Ob wir den Taudis bereisen werden, nunja ich sage mal vorsichtig, wer reist freiwillig dorthin? Aber sollte es jemals dazu kommen, das wir in den Abgrund absteigen müssen, hast Du die Ehre unser Führer zu sein.


    In welchem Zusammenhang warst Du schon dort Sodo Mio und wie sieht es im Taudis tatsächlich aus? Er wird von so vielen permanent erwähnt, er ist eine feste Größe im Wissensschatz und Sprachgebrauch, aber ich persönlich kenne niemanden der bereits dort gewesen wäre", antwortete Eorur und klopfte sich den Staub und den Dreck von der Kleidung.

  • "Dann sind wir im Geschäft." Er hielt ihnen die linke Hand hin, wie es zum Einschlagen bei zwielichtigen oder gänzlich illegalen Geschäften üblich war. "Setzt euch doch und bedient euch. Wenn es um meine Arbeit geht, neige ich dazu, etwas ausführlicher zu werden." Er wies in Richtung seiner Picknickdecke, die sehr rakshanisch aussah, sprich, selbstgenäht und bunt. Im Korb warteten die sauren, schrumpligen gelben Äpfel vom Vorjahr, die er sich als kostenlose Mahlzeit organisiert hatte.


    "Der Taudis ist kein Mythos, auch wenn viele ihn dafür halten. Die Unterwelt weiß um die Wahrheit und kennt den Weg hinab. Wo lautlose Sohlen über feuchtes Pflaster huschen, wo unausprechliche Dinge den Besitzer wechseln, wo klauenbewehrte Finger mit Goldmünzen spielen, weiß man solche Dinge. Man flüstert seinen Namen in den Hauseingängen, schreibt seine geheimen Zeichen an die Wände finsterer Gassen. Unter schwarzen Kapuzen raunt man den Namen des Unaussprechlichen und möchte wissen, warum du danach fragst, während die Hand in Richtung eines verborgenen Dolches wandert.


    Der Taudis, mein Freund, ist nicht für die Augen und Ohren der Menschen gemacht und niemand sollte auf seinen Pfaden wandeln. Und doch gibt es einige, die in Todesverachtung ihre Ausrüstung schultern, um den unumkehrbaren Weg zu gehen. Jene mit den Eisenarmbrüsten und den gehörnten Helmen, die ihr Gesicht im Verborgenen halten und ihre Namen verschweigen. Die keine Angst haben, in den tiefsten Abgrund zu blicken und lachen, wenn er nach ihrer Seele greift.


    Du jedoch, der nur ein gewöhnlicher Sterblicher ist, lass dich nicht von ihren Geschichten verleiten. Steige niemals in die Tiefe hinab! Tilge den Taudis aus deiner Erinnerung, denn die Gier nach seinen verborgenen Schätzen wird dein Tod sein. Er ist Finsternis und Wahnsinn, Leid und Verderben. Unser aller Bürde, unser aller Tod. Niemand, der bei klarem Verstand ist, würde diesen Weg freiwillig beschreiten.


    Das tun nur jene, die der Welt des Lichtes längst verloren gingen. Desillusionierte Veteranen, welche die Gesellschaft fliehen, wagemutige Glücksritter, deren Gier ihre Herzen zerfrisst, fanatische Forscher auf der Suche nach den Antworten, Verlorene, die niemals zurückkehren wollen. Kurzum: Reliktjäger, die aus der Tiefe den Lockruf des Reichtums und der Einsamkeit vernehmen. Die meisten von ihnen verschwinden für immer. Nur sehr wenige kehrten je zurück um davon zu berichten, was ihnen dort unten widerfuhr, welche Gefahren sie überlebten und welche Wunder sie sahen.


    Einer von jenen sitzt vor dir, meine Freund. Gestatten: Sodo Mio, Reliktjäger."


    Und er verneigte sich vor seinen Zuhörern.

  • Eorur dachte noch einige Augenblicke später über die Worte von Sodo Mio nach.


    "Du bist einer der Reliktjäger, die in den Taudis hinab gestiegen sind? Glücksritter, Abenteurer und viele andere sind mir bekannt, die nach verlorenen, vergrabenen und vergangenen Schätzen suchen. Man hört immer wieder von seltsamen Gegenständen. Von manchen wird bei guten Lagerfeuergeschichten berichtet, andere hört man geflüstert bei zwielichtigen Gestalten. Wieder andere sind so etwas wie eine Legende oder ein Mythos. Manch andere kennt man und weiß selbst nicht einmal woher.


    Vielen von diesen Relikten haftet der Ruf an, besonders wertvoll zu sein, seinem Besitzer zu nützen oder das der Besitz einen als etwas besonders auszeichnet. Kurzum es ist eine Trophäe, ein derartiges Relikt gefunden zu haben. Manche soll man über Schatzkarten finden, einige sind angeblich verschollen und wieder andere werden angeblich von irgend etwas bewacht.


    Bei solchen Erzählungen habe ich mir immer gedacht, dass manche sicher nur Schauermärchen sind. Andere haben sicher einen realen Hintergrund. Kennst Du die Geschichte der Karten-Schädel?


    Damals saß ich an einem Lagerfeuer, direkt am Hafen von Obenza. Die Nacht war kalt und klamm und wir rückten alle etwas enger zusammen. Ein alter Ledwicker erzählte, dass die drei Kartenschädel bergen wollte. Dann wäre er endlich all seine Sorgen los. Aus dem Mann sprach die Armut, die Hoffnungslosigkeit und die Kälte. Ob es die Schädel wirklich gibt, oder ob sie nur eine gute Geschichte waren und seinem Wunsch nach einem besseren Leben entsprachen weiß ich nicht.


    Es heißt nach der Erzählung des alten Sprottenbuckel, so nannte er sich wirklich selbst, würde man alle drei existierenden Schädel zusammenführen, würden sie einem den Weg zu einem Schatz offenbaren. Ein Schädel ist weiß, einer braun und der dritte schwarz. Auf der Unterseite eines jeden Schädels ist eine Karte eingeritzt. Alle zusammen ergeben die Karte, die zu dem Schatz führen. Laut der Erzählung sollen die Schädel Giuseppe dem Tüchtigen gehört haben. Ein Händler der See, andere nannten ihn einen Piraten. Ob es die Schädel und Giuseppe jemals gegeben hat, weiß ich nicht.


    Aber die Relikte von denen Du sprichst, liegen in einem Bereich, den normal Sterbliche wirklich nicht betreten sollten. Weißt Du Sodo, von manchen grausigen Orten weiß man was einen dort erwartet. Aber was erwartet einem im Taudis? Gerade das Nichtwissen ist es, was mich besonders ängstigt. Wer kam zurück um von dort zu berichten?


    Bis jetzt kannte ich keine Person, nun kenne ich Dich. Was hast Du dort gesehen mein Freund?", fragte Eorur sichtlich vor Ehrfrucht erfüllt.

  • "Es mag sein, dass manch geborgenes Relikt an der Oberfläche wieder verloren ging und so zu einem Schatz wurde, der auch von jemandem gesucht und gefunden werden kann, der nie einen Fuß in die Tiefe setzte.


    Und natürlich habe ich von den Karten-Schädeln gehört! Es wäre allerdings schön, wenn ihr Schöpfer nicht nur die Schädel, sondern auch einen Hinweis darauf hinterlassen hätte, WAS man mit ihnen überhaupt finden kann. Am Ende ist es einfach ein vierter Schädel.


    Was den Wert der Relikte generell betrifft, so hat er oft keinen offensichtlichen. Es geht im Gegensatz zu gewöhnlichen Schätzen selten um den reinen Materialwert. Worin ihr tatsächlicher Wert besteht, wird ersichtlich, wenn du dir die Auftraggeber ansiehst.


    Oft sind es reiche Sammler, die damit vor ihren Freunden und Feinden protzen wollen. Manchmal Priester des Ainuwar, die in der vergessenen Technik das Wort Ainuwars suchen. Aber auch Feldherren, die auf eine Waffe hoffen, die all ihre Probleme auf einen Schlag löst.


    Beispielsweise gab es eine Ausschreibung, in der die Magierakademie von Nebreszco einen Folianten aus der Vorzeit suchte. Man erhoffte sich Hinweise auf eine vergessene Form der Magie, wie sie noch auf Caltharnae praktiziert wurde.


    Eine andere Ausschreibung kam aus Tamarant. Man suchte gewisse Eisenrohre einer alten Zeichnung, die, wenn man einen kleinen Hebel bediente, angeblich Donner und Blitze spien. Bisher fand niemand diese Gewitterbringer, von denen man hofft, Regen herbeirufen zu können, um die Wüste zu begrünen. Wenn du mich fragst, denke ich jedoch, dass es sich eher um Artefakte handelt, also magische Objekte, und nicht um mechanische. Die Ausschreibung ist übrigens noch aktuell, die in Aussicht gestellte Summe erhöht sich jedes Jahr und mit ihr die Zahl der Männer, die ihr Glück versuchen.


    Das klingt vielleicht verlockend, wird aber von Neulingen oft unterschätzt.


    Sich im Taudis zurechtzufinden erfordert jahrelange Übung. Die Topografie des Taudis gestaltet sich weitaus komplexer als jene der Oberfläche. Das liegt daran, dass zu den üblichen Himmelsrichtungen auch noch die vertikale Dimension kommt. Der Taudis ist ein Labyrinth, das sich in alle Richtungen erstreckt. Man muss sich an einem Abzweig möglicherweise nicht nur zwischen links und rechts entscheiden, sondern auch zwischen oben und unten.


    Es gibt den äußeren und den inneren Taudis. Dazwischen liegt natürlich noch der mittlere. Man findet auf seinem Weg durch die Tiefe seltsame Orte, die den Status von Sehenswürdigkeiten genießen, weil jeder Reliktjäger sie kennt, wie die Eisengewölbe und die Kalkkavernen, die Dolomitdromone und die segensreiche Basaltstraße und schlussendlich den tödlichen Aval Agamon. Gleichsam sind diese Orte nicht nur Sehenswürdigkeiten, sondern vor allem wichtige Wegmarken.


    Dort unten gelten andere Gesetze und man kennt auch eine eigene Art von Handelssystem. So gibt es im Taudis eine Währung, die nicht in Geld, Gold oder Diamanten aufzuwiegen ist und die auch keinen anderen würdigen materiellen Gegenwert besitzt, nicht mal eines der Relikte. Eine Währung, die man mit nichts anderem als einem Leben selbst aufwiegen kann: Orientierung.


    An einem Ort, der keine Sterne kennt und wo kein Leuchteuer brennt, ist jede Wegmarke, die nicht gefälscht werden kann, ein Segen. Wir reden hier nicht von einer Frage des Umherirrens, sondern sprechen vom nackten Überleben. Um den äußeren Taudis zu verlassen und noch tiefer hinab zu steigen, muss man wissen, wo man dort unten Wasser und Nahrung findet. Niemand kann unendlich viele Vorräte schleppen und besonders Wasser wiegt schwer. Eine solche Expedition ist körperlich und logistisch so anspruchsvoll wie die Reise auf einen Achttausender, nur, dass der Rückweg die wahre Herausforderung darstellt, denn ausgerechnet dann, wenn man schon sehr erschöpft ist, die Vorräte zur Neige gehen und man hoffentlich schwer am erbeuteten Relikt schleppt, geht es stetig aufwärts.


    Und dann beginnt die eigentliche Gefahr, denn natürlich ist es viel bequemer, einem anderen Reliktjäger seine Beute abzunehmen, anstatt sich selbst die ganze Mühe zu machen!


    An dieser Stelle ahnst du vielleicht schon, welch vielseitige Möglichkeiten sich dem findigen Reliktjäger bieten, um seine unliebsamen Rivalen - das heißt, alle anderen Reliktjäger - dort unten auszustechen, um sich selbst die Beute unter den Nagel zu reißen. Und was es umgekehrt bedeutet, sich allein in diese Tiefen zu begeben, um ab sofort alle anderen Reliktjäger zeitgleich zum Feind zu haben."

  • Eorur grinste Garlyn an, bei dem was Sodo Mio zum Besten gab. Der Ork war ein interessanter und guter Gesprächspartner. Er wusste zu erzählen und wichtiger noch, die Leute dabei mit der Geschichte zu fesseln.


    "Das die drei Kartenschädel möglicherweise nur zu einem vierten Schädel führen, dass wäre wirklich eine Kehrtwende des Rätsels. Oder man muss sich erneut auf die Suche nach weiteren Schädeln machen. Am Ende ist der Schatz noch die Suche selbst. Sprich den Weg den man zurück gelegt hat, die Reise die man auf sich nehmen musste und die damit verbundenen Erfahrungen. Soweit ich weiß hat niemand gesagt, um was für einen Schatz es sich handelt.


    Woher manche Relikte stammen Sodo, dass kann ich Dir leider nicht sagen. Doch ich denke, dass manche auch uralte Sachen sind. Falls sie wirklich einst aus dem Taudis geholt und hier vergessen wurden oder verloren gingen, dann wäre es doch leichter sie an der Oberfläche zu suchen. Sprich dass man gar nicht in den Taudis hinab steigt.


    Du hast ein immenses Wissen über Relikte Sodo. Nun bei Deinem Beruf ist das auch erforderlich. Ein Foliant, Schädel, Rohre, ich glaube mittlerweile im Grunde kann alles ein Relikt sein.


    In einer Welt wo oben und unten ebenfalls zu einer Dimension wird, die man beachten muss, ist Orientierung Mangelware für Neulinge. Ich wüsste mich dort nicht zu Recht zu finden und ich hätte ehrlich gesagt, auch keinen Überblick wie viel Nahrung und vor allem Wasser ich einplanen und mit mir führen muss. Eine falsche Berechnung und man wird dort unten jämmerlich verdursten. Was Du über den Abstieg sagst Sodo, klingt schon hart genug. Aber die Gefahr des Aufstiegs hatte ich nicht gesehen. Natürlich ist es einfacher, oben zu warten und die erfolgreichen Schatzjäger auszurauben.


    So war es schon immer nicht wahr? Es gab immer jene die sich im Schatten halten und auf einen leicht verdienten Taler hoffen, indem sie zuschlagen, wenn man nicht damit rechnet. Die Arbeit lassen sie andere machen und schmücken sich vermutlich auch noch mit Federn, die ihnen nicht zustehen. Berichten von Reisen die sie nie selbst angetreten haben. Damit bist nicht Du gemeint Sodo, nicht falsch verstehen.


    Der Ort der keine Sterne kennt, das klingt düster-poetisch. Die Rohre die Blitze schleudern sollte man mit Bedacht einsetzen, nicht dass das Unwetter losbricht, so lange man so ein Rohr in der Hand hat. Kaum geborgen und schon einen Blitz an der Hacke", grinste Eorur und knuffte Sodo Mio.