Die seltsame Begegnung mit der Düsterling war schon bald wie weggefegt aus seinen Gedanken, als er wie alle anderen gespannt den Kampf verfolgte.
Die Düsterlinge lärmten und kreischten um ihn herum, und trotzdem wagte es niemand, den Kreis der Kontrahenten zu betreten. Die Drohung des Orks schien Wirkung zu zeigen. Farrinur blickte kurz verächtlich zu Ragosh hinüber. Er hatte seine Meinung über den Kerl längst herausgebildet, spätestens in dem Moment auf der Lichtung war ihm klargeworden, dass man dem Muskelprotz besser nicht vertraute. Sein Denken war primitiv. Komplexe Gedankenstränge schienen ihn zu überfordern, das hatte auch der Ausgang des Rätsels gezeigt, in dessen Folge der arme Alb ums Leben gekommen war.
Da Leviathan im Diebstahl vorgeworfen hatte, feuerte Farrinur Firxas an. Der Tiefling beeindruckte bereits durch seine schiere Grösse, doch auch die unzähligen vernarbten Stellen deuteten auf seine Kampfeserfahrung hin. Tatsächlich schlug sich jedoch auch Leviathan sehr gut und geschickt nutzte er seine körperlichen Vorteile aus.
Das abrupte Ende überraschte jedoch alle. Auch der Farisin starrte verblüfft auf die Staubwolke, welche das Ringen ausgelöst hatte und als sich der Nebel lichtete, konnte er ebenfalls nicht beantworten, wer den Sieg davongetragen hatte.
Einen Moment herrschte absolute Stille, doch dann ging der Trubel erst richtig los. Die Düsterlinge gingen wie ein Haufen wild gewordener Affen aufeinander los. Ragosh mischte munter mit, der Ork schien in dem ganzen Gerangel aufzugehen wie ein Hefeteig.
Plötzlich jedoch schleuderte ihm der Kerl einen seiner Gegner entgegen, so dass dieser mit Farrinur zusammenprallte. Der Farisin stolperte überrumpelt einige Schritte zurück, trampelte dabei jedoch versehentlich auf den langen Schweif des Düsterlings. Wie eine Furie wirbelte dieser herum und im nächsten Augenblick spürte der junge Mann die scharfen Klauen, welche sich in seine Brust bohrten. Das Gewicht des Düsterlings riss ihn zu Boden, und ein leises Knacken hinter seinem Rücken war zu hören – der Bogen hatte unter dem ruckartigen Druck nachgegeben.
Zum Teufel, erst wurde ihm das Schwert gestohlen und nun war sein Bogen in die Brüche gegangen!
Der Düsterling gab ein wütendes Keckern von sich und Farrinur spürte, wie die Klauen sich in sein Fleisch bohrten, während die scharfen Zähne seinem Gesicht gefährlich näherkamen.
Welche Kraft in diesen Wesen innewohnte!
Der brennende Schmerz liess den Farisin jedoch nicht weiter zögern. Er sammelte seine Magie, welche nahe unter der Oberfläche brodelte, und in dem Versuch dem Dämon einen Feuerschlag zu verpassen, hob er ruckartig seine rechte Hand hoch.
Die intuitive Reaktion seines Gegeners war jedoch bemerkenswert, und so prallte der kräftige Schweif heftig gegen seinen Arm, genau in dem Augenblick, als der Zauber sich löste.
Die Flamme zischte seitlich an dem Düsterling vorbei, direkt auf den schwarz vermummten Kuttenträger zu.
Farrinur bekam dies jedoch nicht mit, zu sehr war er darauf konzentriert, seinen Feind loszuwerden. Noch einmal nahm er seine Energie zusammen und liess in einem Atemzug einen Großteil der angestauten Magie aus seinem Körper strömen, welche er normalerweise in Steinen oder der Luft langsam verpuffen liess. Der Düsterling fuhr schlagartig zurück, als die Hitzewelle ihn traf und selbst die Haut des Farisins zu glühen schien.
Er kreischte aufgeregt, denn seine Haut war stark gerötet, wo er mit dem Farisin in Berührung gekommen war und würde vielleicht gar Blasen bilden.
Als er sich aus dem Staub machte, liess Farrinur sich keuchend ins Gras zurücksinken. Die Kämpfe beruhigten sich langsam wieder.
Er bemerkte nicht, wie sich einige Düsterlingsweibchen um ihn herum angesiedelt hatten und ihn mit begehrenswerten und bewundernden Blicken musterten.
Nur die Düsterling mit den lilafarbenen Augen näherte sich ihm schliesslich vorsichtig. Sie gab ein beruhigendes Keckern von sich.
„Du schon wieder“, murmelte der Farisin erschöpft, als sie sich in einiger Entfernung neben ihn kauerte und ihn beobachtete.
„Wegen einem deiner Brüder ist mein Bogen kaputt“, knurrte er sie an, während er sich aufsetzte und die Wunden an seiner Brust abtastete. Das Blut hatte sie sauber gewaschen, doch er würde sich noch an Tatterwatter wenden, um Entzündungen vorzubeugen.
Sie hatte den Kopf schief gelegt und Bedauern schien in ihrem Blick aufzublitzen, wurde jedoch gleich beiseite gewischt, als ihre Klauen zu ihrem Ohr fuhren und einen fetten schwarzen Käfer hervorpullten. Sie hielt ihn Farrinur fragend entgegen, als dieser jedoch angeekelt das Gesicht verzog, verspeiste sie das Krabbeltier mit leicht beleidigter Miene. Das Knacken des Chitinpanzers, der unter ihren scharfen Zähnen zersplitterte, liess ihn erschauern.
„Jetzt rede ich schon mit diesen seltsamen Kreaturen“, brummte Farrinur, musste sich aber eingestehen, dass ihre lilafarbenen Augen ihn irgendwie zu fesseln vermochten.
Schnell schüttelte er den Gedanken ab und erhob sich, um sich einen Weg durch den Trubel zu bahnen und den Arzt aufzusuchen. Dabei hielt er nach Lacrima Ausschau. Gleich wurde seine Haltung aufrechter und die Wunden waren durch das aufgeschlitzte Hemd hindurch gut zu erkennen. Hatte sie seinen Kampf auch gesehen?