Dunkelheit
Dave gesellte sich zu Urako in die Küche und tippte den Tiefling an.
"Folge mir bitte", bat der Magier leise.
"Wenn Du mich so lieb bittest", grinste Puschel und folgte Davy.
Entgegen Puschels Vermutung führte Dave ihn nicht in die Schreibstube oder in sein Quartier, sondern er verließ das Geisterhaus durch den Nebenausgang, ging einmal über die Straße und schloss das gegenüberliegende Haus auf.
Als sie beide es betreten hatten, schloss Dave hinter Urako ab und drückte ihm den Schlüssel in die Hand.
"Ich muss... nein ich möchte Dir etwas sagen", fing Dave nervös an.
Urako steckte den Schlüssel ein und setzte sich auf den Boden. Freundlich und aufmunternd schaute er zu Dave auf, da er sah wie sehr dieser gerade mit sich kämpfte.
"Du kannst mir alles sagen Dave", ermutigte ihn Urako.
"Ich möchte Dir die dunklen Flecken erklären. Falls Du im Gespräch merkst, dass Du so etwas nicht hören möchtest, mach Dich nicht lustig, sondern brich das Gespräch einfach ab, in Ordnung?", bat der Magier.
"Ich weiß mehr als Du denkst Dave. Du hast Dinge in Deiner Erinnerung die extrem gut geschützt sind und die ich nicht sehen durfte. Aber Deine Gefühle konnte ich trotzdem spüren. Irgendwann wirst Du sie Varmikan zeigen. Eines Tages. Du kannst mir alles sagen Großer, möchtest Du dass ich dabei bin?", fragte Urako.
"Nein. Denn ich werde Varmikan weder die Erinnerungen zeigen, noch mit ihm darüber reden. Ich möchte es Dir erzählen...", bat Dave.
Urako musterte Dave mit großen Augen und war froh bereits auf dem Boden zu sitzen. Mit einem Kloß im Hals nickte der Tiefling. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Allenfalls Gasmi brachte ihm ein derartiges Vertrauen entgegen und vielleicht noch Varmikan.
Dave setzte sich Urako gegenüber.
`Es gab eines was ich im Leben lernte - wer nicht hören will, muss fühlen.
Wir waren in Obenza, und zu der Zeit waren wir mit unserem Vater erst einige Male dort gewesen. Ich fand diese bunte Stadt schon immer faszinierend. Es gibt nichts was es nicht gibt in Obenza, positiv leider wie auch negativ gesehen.
Aber wer kann das schon mit 16 Jahren wissen? Mir gefiel die Stadt und ich hatte an dem Tag einfach Lust überall rumstromern zu gehen.
Das Problem war leider nur, dass ich das überhaupt nicht durfte.
Wir hatten im Haus unserer Verwandten zu bleiben und ging es raus, hatten wir in Dunwins Nähe zu bleiben. Es sei denn er ordnete etwas anderes an.
Eigentlich ist sonst Ansgar dafür zuständig seine Ohren komplett auf Durchzug zu stellen, aber an dem Tag habe ich den Job übernommen.
Ich wollte in die Stadt und ich wollte die untersten Distrikte sehen. Die Läden, die Seplunken und was für Drogen die dort im Angebot hatten. Man hörte so viel über Obenza und ich wollte es gerne mal ausprobieren.
Aber mit Dunwin im Schlepptau war das nicht drin. Was wir nehmen durften bestimmte er. Selbst Arzneien teilte er uns zu, dies allerdings erst seit ich versucht hatte meine persönlichen Probleme mit einer Schmerzmittelorgie zu beseitigen. Ab dato war ich für ihn das Weichei der Familie.
In Obenza hoffte ich etwas zu finden, was dermaßen reinballern würde, dass ich komplett alles vergessen würde. Alles was er mir bis dato angetan hatte oder antun ließ.
Was man sich so als 16 Jähriger zusammen spinnen kann. Es gibt tatsächlich Drogen die einen alles vergessen lassen. Der Nachteil ist, man vergisst komplett alles. Man bleibt als sabberndes Wrack zurück. Ich hingegen wollte ja nur die Erinnerungen los werden, die sich einfach in mein Bewusstsein drängten...´, erklärte Dave Urako.
Der Tiefling saß ihm gegenüber und hörte ihm aufmerksam zu.
"Nenne mir ein Beispiel Dave, damit ich Deine Erklärung nachvollziehen kann", bat Urako leise.
`Beispiel ich sehe eine Reitgerte oder einen Schlagstock und in dem Moment steht das Schwein mit so einem Ding wieder vor mir. Ich kann mich nicht mehr bewegen, solche Angst hab ich vor ihm. Das Schwein packt mich und... und die Folter beginnt. Er schlägt so lange auf mich ein, bis ich auf dem Boden vor ihm liege und ihn um Gnade anwinsele...´, übermittelte Dave nervös.
"Ruhig. Und dass passiert Dir wie Spontanerinnerungen?", hakte Urako nach.
`Früher ja. Aber dies ständig ungewollt sehen zu müssen, zerrte an meinen Nerven. Aus dem Grund habe ich meine Erinnerungen gesplittet. Das Gefühl von der Information getrennt und beides bewusst voneinander in meinen Gedanken fest verschlossen. Sozusagen versiegelt, damit ich mich nicht mehr versehentlich erinnern kann. Die Gefühle hast Du gespürt und mitbekommen. Die bewussten Erinnerungen dazu nicht.
Das Schlimme waren nicht die Erinnerung selbst, sondern dass ich keine Kontrolle darüber hatte. Ich kann mich natürlich bewusst daran erinnern und eine dieser Erinnerungen abrufen. Aber das ist das Letzte was ich wollen würde! Ich will den Dreck vergessen!
Aber... aber das geht nicht!
Irgendwie... keine Ahnung!
Ich konnte nur auf diese Weise verhindern, dass ich mich zwangserinnere. Als ob es sich immer selbst in Erinnerung bringen möchte. Als ob die Erinnerungen ein Eigenleben hätten, ein Teil von Dunwin wären der mich immer noch quält.
Vergiss nicht was Du bist, nichts als ein Stück Dreck Dave mit dem ich und jeder andere machen kann was er will, wenn ich es erlaube. Du bist mein Eigentum. Nur Du selbst, Du hast keine Kontrolle über Dich. Du hast kein Anrecht über Dich zu entscheiden...´, knurrte Dave mental wütend.
Dave verharrte einen Moment, strich sich über die Stirn und schnalzte mit der Zunge. Einige Minuten schwieg er völlig bewegungslos, während Urako besorgt abwartete.
"Verbal... Wie dem auch sei, ich schlich mich aus dem Haus und ging auf Erkundungstour und zwar ohne Ansgar. Nichts was ich später mehr bereuen sollte Puschel. Du kannst Dir nicht vorstellen, was dort passierte...
Weißt Du, manchmal glaube ich, dass Dunwins Folter irgendwas auslöste.
Etwas dass anderen Schweinen zeigte, Davard ist etwas dass man "Fressen" kann.
Es gibt viele, denen so etwas wie auf die Stirn geschrieben steht.
Warum?
Ich verstehe das nicht.
Ich habe Leute gesehen, wo ich dachte, was haben die Personen verbrochen um dermaßen bestraft zu sein?
Manche habe ich mental abgetastet um der Frage auf den Grund zu gehen. Aber ich habe nicht mal dieser Möglichkeit eine Antwort gefunden. Es ist doch nichts Schlimmes, Falsches oder Andersartiges an Ansgar oder mir oder?
Du weißt was wir vom Job sind - Mörder.
Aber das ist nichts im Vergleich zu Dunwin und seinen Spießgesellen.
In den Fängen meines Vaters habe ich Grauen gesehen, dass Du Dir nicht vorstellen kannst. Und ich dankte Ainuwar auf Knien, wenn es mich nicht erwischt hatte.
Aus scheinbar normalen Menschen, kann Ungeziefer werden, dass Dir schlecht wird. Sobald keine Kontrolle vorhanden ist, keine Macht der sie sich irgendwie beugen müssen oder die sie respektieren müssen, wird ein Großteil zu Monstern. Schlimmer noch wird dieser menschliche Abfall, wenn genau jener der sie kontrolliert, selbst ein Monstrum ist.
Schau Dir doch die ganzen Menschen mit zu viel Macht an.
Jemals einen entdeckt, der sie für zu viel Gutes missbraucht?
Nie wäre gelogen, es gibt sie.
Aber sie sind selten.
Eine Person wie Dunwin, sollte über niemanden bestimmen dürfen. Er wie jeder in seinem Dunstkreis nahm sich was und wen er wollte.
Wenn es Ainuwar gibt, warum lässt er das zu? Was haben Melisande, Ansgar oder ich Ainuwar getan? Was?", fragte Dave Urako.
"Die Frage ist berechtigt Dave. Ob es die Götter wirklich gibt, weiß ich nicht. Vielleicht interessieren wir sie einfach einen Scheißdreck. Aber jetzt zurück zum roten Faden Davy.
Dein Vater hat Dich geschlagen und gefoltert. Du wolltest Dir Drogen in Obenza kaufen um das alles zu vergessen. Was ist in Obenza an diesem Tag geschehen? Was geschah?", forderte der Tiefling Dave auf weiter zu erzählen.
"Es wäre fast wieder passiert, dass eine Gruppe mich "gefressen" hätte. Wie gesagt, ich war dumm und hab mich in einer Gegend rumgetrieben wo ich niemals alleine hätte hingehen dürfen. Die Erinnerung daran, als sie versucht haben mich zu...
Die Erinnerung ist verschwommen und ungenau.
Klar wird die Erinnerung erst, als Ansgar über mir stand und auf mich herab starrte.
Im Gegenlicht sah ich nur seine Silhouette. Er hatte mein Leben gerettet. Ansgar hatte mir im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch gerettet aber ich fühlte nichts.
Gar nichts.
Nicht mal mehr meinen Körper.
Ich fühlte mich tot.
Ich war es aber nicht.
Ansgar hockte sich über mich und hielt mir die Hand hin.
`Komm Dave´, übermittelte er und wollte mich hochheben.
`Töte mich´, bat ich ihn mental und er erstarrte.
`Du musst es jetzt tun, bevor ich mich bewegen kann. Dann triffst Du genau. Es ist so vorgesehen, erledige es jetzt. Sonst versuche ich es zu verhindern und Du verkrüppelst mich nur´, bat ich ihn.
Ansgar schüttelte nur den Kopf, sagte aber keinen Ton.
`Doch. Du musst es tun. Es gibt Dinge, über die man sich keine Gedanken mehr machen muss, wenn man tot ist. Man kann nie mehr verletzt oder verstümmelt werden. Ich bin einverstanden, tu es´, erklärte ich ihm meine verdrehte Logik.
Für Sekunden dachte ich es hätte angefangen zu regnen und ich hätte einen Tropfen abbekommen. Ich begriff zuerst gar nicht, was ich fühlte - was mich berührte. Aber dann wusste ich schlagartig, dass Ansgar weinte obwohl ich sein Gesicht nicht erkennen konnte.
Ich hatte vorher noch niemals jemanden aus unserer Familie weinen sehen.
Er zog seinen Mantel aus, hüllte mich darin ein und trug mich wortlos zu unserem Haus. Du kannst Dir nicht vorstellen wie er sich gefühlt hat. Wie konnte ich ihn darum bitten? Er hätte alles getan um mich zu beschützen.
Das tat er immer, das tut er heute noch.
Und ich... ich kann ihm trotzdem nicht vertrauen.
Trotz allem erwarte ich von ihm Verrat... warum?", fragte Dave Urako.
"Hätte er Deiner Bitte entsprochen, hätte er Dich getötet. So etwas verlangt ein Kind niemals grundlos Dave", sagte Urako sanft und streichelte ihm über die Wange.
Dave schaute Urako mit nicht zu deutendem Blick an, ehe er die Augen schloss und die Streicheleinheiten seines zweiten Mannes genoss.
„Weißt Du, was mich davor bewahrt hat ihn erneut zu bitten oder es selbst zu tun?", fragte Dave.
Einen Moment lang dachte Urako, Dave würde Varmikan sagen, aber Dave sprach aus seiner Vergangenheit. Damals hatte er den Frostalben noch gar nicht gekannt. Varmikan war zu diesem Zeitpunkt nicht einmal geboren.
Urako schüttelte sanft den Kopf.
„Nein das weiß ich nicht. Allerdings bin ich sehr froh, dass es schon damals etwas gab, dass Dich von diesem Schritt abgehalten hat, auch wenn ich Dich zuerst für einen arroganten Schnösel hielt“, sagte Puschel innig mit einem Zwinkern.
„Danke, das bedeutet mir was Urako. Abgehalten hat mich nicht Zuneigung, sondern Feigheit - Angst. Jeder Magier kennt den Nexus. Wir WISSEN dass es nach dem Ableben nicht endet. Wir sehen die zweite Sphäre, betreten sie, ziehen unsere Macht aus ihr, spüren sie wenn einer von uns geht…
Der Nexus ist auch nicht das Problem, sondern die Erinnerungen. Darüber habe ich oft nachgedacht. Und wenn ich so tief über das Thema nachdachte, dann hatte ich immer ein grässliches Bild vor Augen und zwar von mir selbst.
Ich – ein Wesen im Zentrum des Universums. Ein einsames Wesen, dass dazu verurteilt ist, auf ewig für sich allein zu existieren und sich an die körperliche Existenz und die damit verbundene Folter zu erinnern.
An all das zu erinnern was Dunwin mir allein oder mit seinen "Freunden" angetan hat. Und dass für immer…
Für den Rest der Ewigkeit Dunwins lachende Fratze vor meinen Augen zu sehen, während andere mich auf die eine oder andere Art vor seinen Augen fertig machen...“, versuchte Dave zu erklären und zuckte dann mit den Schultern.
Urako ging auf Dave zu und wollte ihn in den Arm nehmen, aber Dave hielt ihn davon ab.
"Nicht... lass mich einen Moment", bat er kaum hörbar.
„So geht das nicht Dave, komm her. Großer, es gibt kein Entkommen vor der eigenen Erinnerung. Und Du hast befürchtet, es gibt nicht mal ein Entkommen im Nexus. Sag mir was Du Dir wirklich gewünscht hast, als Du Ansgar um das Unvorstellbare gebeten hast. Du wolltest doch gar nicht umziehen, Du wolltest nur wieder weglaufen Du Sturkopf. Ich kenne Dich gut genug. Also, was wolltest Du Davy?“, bat Urako flüsternd, schnappte sich Dave und hielt ihn einfach fest.
Dave starrte Urako an ohne zu blinzeln und sagte kein Wort. Urako erwiderte seinen Blick, geduldig, liebevoll im Grunde wie ein Vater der auf die Antwort seines Kindes wartet.
„Das weißt Du doch“, flüsterte Dave, befreite sich und tigerte im Zimmer herum.
Urako wartete einfach ab. Er vermutete dass Dave unschlüssig war ob er gehen oder bleiben sollte. Normalerweise hätte der Magier bereits längst die Flucht ergriffen. Aber da Dave abgeschlossen und Urako den Schlüssel überreicht hatte, war eine Flucht nicht möglich.
Natürlich konnte Urako Dave nicht gegen seinen Willen zwingen zu bleiben. Dave musste aus freien Stücken bleiben und reden wollen. Der Tiefling setzte sich demonstrativ hin und klopfte einladend neben sich.
Dave schüttelte nur leicht den Kopf auf die nicht gestellte Frage, hockte sich neben Puschel auf den Boden und nahm seine Hand. Urako verschränkte seine langen Fingern mit Daves und drückte seinen Hand.
„Ich möchte keine Angst mehr haben“, antwortete er flüsternd.
Der Tiefling packte Dave im Nacken und drückte seinen Kopf auf seinen Schoss, so dass er ihm den Schädel kraulen konnte. Dave ließ Urako einfach gewähren und drückte sich schutzsuchend an ihn.
"Hör mir genau zu Dave. Du weißt was Schmerz heißt, Du weißt es nur zu gut.
Du bist auch ein Kaputter wie... ich.
Die Folter hat Dich vor langer Zeit so zerbrochen, wie mich... mein Vater.
Manche Väter sind das Letzte!
Deine Foltermeister starben durch die Hand Deines Bruders und Deiner eigenen.
Du kannst nicht ewig mit Hass im Herzen leben Dave. So wirst Du die Angst nicht los. Hass frisst Dich auf.
Entweder benötigt man seine Rache, oder man muss vergeben. Hass richtet sich immer gegen einen selbst, vom ersten Moment an, fraß er uns innerlich auf.
Deine Rache hast Du erhalten.
Jetzt musst Du vergeben.
Du tust dass für Dich, Varmikan, mich, Deine Familie und für jeden den Du liebst. Allerdings in aller erster Linie für Dich“, flüstere Urako fürsorglich.
"Ich werde denen das nie vergeben! Niemals!", zischte Dave.
Urako packte Dave fest unter dem Kinn und zwang ihn ihm in die Augen zu schauen.
"Nicht denen Dave - DIR!", antwortete Urako leidenschaftlich.
Dave starrte Urako einen Moment wie vom Donner gerührt an, ehe er erst langsam, dann vehement nickte. Er grabschte Urako und umarmte ihn, zeitgleich umschlang er dessen Seele mit seinen Seelenfäden. Urako drückte ihn an sich und hielt ihn einfach liebevoll fest.
"Du Dummkopf musst Dir vergeben, dass Du Dich nicht wehren konntest", flüsterte ihm Urako ins Ohr.
`Die Vorgeschichte. Ich war krank. Schmerz, ein Sturz in die Tiefe. Manchmal Dunkelheit und Träume, immer der fensterlose Raum. Manchmal stand ein Tablett mit Essen vor mir, manchmal Tabletten in einem winzigen Becher.
Und manchmal kam mich mein Vater besuchen, verdrehte mir den Arm und riss mich aus dem Bett. Ich schlug auf dem Boden auf und er schlug auf mich ein. Ich hoffte immer, dass mich die Dunkelheit schnell wieder verschluckt.
Es kam eine Zeit, in der Dunwin seine beiden besten Kumpels mitbrachte. Einer davon hatte eine lange Narbe im Gesicht. Seine Freunde wechselten sich ab mir weh zu tun, sie taten es auch zu zweit und sie waren sehr kreativ darin mich leiden zu lassen.
Und Dunwin?
Das Schwein stand nur da und lachte oder gab ihnen gute Tipps...
Eines Tages kamen sie mich allein besuchen. Ich war von den Arzneimitteln zugedröhnt. Nach der Behandlung der zwei Bastarde, war ich immer gelähmt vor Schmerz. Ich hatte mehr Angst als je zuvor in meinem Leben.
In dem Moment kam Ansgar rein. Er brüllte die beiden wie von Sinnen an und zerrte mich hinter sich. Danach bekamen sie von ihm mit der groben Kelle von ihrer eigenen Medizin.
Danach schliff mich Ansgar in sein Quartier. Dort blieb ich eine Weile. Er hatte mir geholfen…, er hatte mir nichts angetan, er hatte mir tatsächlich geholfen.
Irgendwann, es muss Jahre später gewesen sein, schneite Ansgar eines Morgens unerwartet bei mir mit blendender Laune herein.
„Komm schnell“, sagte Ansgar, grabschte mich und zerrte mich Richtung Küche hinter sich her.
„Sag nicht Du hast mir was gekocht“, lachte ich.
„Nee, dafür hab ich Dich zu gerne“, prustete Ansgar.
„Gut ehrlich bist Du“, schmunzelte ich.
Vor dem Eisschrank blieben wir stehen und Ansgar machte mit diabolischem Grinsen eine einladende Geste. Ein Eisschrank ist ein verkleideter Holzschrank in dem man Eisblöcke schiebt um Fleisch frisch zu halten.
„Da drin?“, fragte ich unnötigerweise.
„Ja, mach auf“, sagte er freundlich.
Ich öffnete langsam den Schrank und schaute direkt in zwei mir sehr bekannte Gesichter. "Papas beste Freunde" waren zu Besuch im Eisschrank...
Narbenfresse und sein Gehilfe, schaute mich aus toten Augen an.
Ihre abgeschlagenen Köpfe lagen in unserem Eisschrank und man konnte immer noch in ihren Gesichtern das Grauen erkennen, welches sie zum Todeszeitpunkt empfunden hatten.
Ich hatte nie etwas Schöneres und Erhabeneres als diese Todesfratzen gesehen. Ich drückte meine Hand auf ihre kalten Fratzen und las sie aus. Las voller Genuss das Echo ihres Todeskampfes. Keine Ahnung wie oft ich sie ausgelesen habe, aber irgendwann zog mich Ansgar von ihnen weg und ich umarmte ihn so fest ich konnte.
„Was möchtest Du mit Deinem Geschenk machen?“, fragte er mich gut gelaunt.
„Verbrennen, ich will sie brennen sehen... ich will sehen wie ihre Haut Blasen schlägt, ehe sie wie Wachs von ihren Knochen fließt“, grinste ich meinen Bruder an und er antwortete mit einem extrem diabolischen Grinsen.
„Klingt gut“, stimmte er mir zu.
"Dann los", forderte ich ihn auf.
„Wir übergeben sie dem Feuer, wie irgendwann den Rest der ganzen Bastarde einschließlich IHM“, sagte Ansgar gut gelaunt und knuffte mich.
„Ich weiß nicht was ich sagen soll…“, warf ich gerührt ein.
"Ach was, geschenkt. Fackeln wir nicht lange und fackeln sie ab, los jetzt", freute sich Ansgar.
"Saubere Schnitte", bemerkte ich, als ich einen Kopf an den Haaren hochhob.
"Die Trophäen hab ich extra sorgfältig für Dich abgeschnitten und mitgebracht. Ich habe Dir aber noch etwas anderes von ihnen mitgebracht Dave", grinste Ansgar.
"Was?", fragte ich ihn neugierig.
"Ihre Erinnerungen, während sie verreckten. Möchtest Du die Erinnerungen haben?", fragte Ansgar rückversichernd und ich nickte stumm.
"Von mir für Dich", sagte er leise und starrte mir in die Augen und in dem Moment blickte ich in schwarze Augen. Zeitgleich verband er sein Bewusstsein mit meinem.
Ich sah nicht seine Erinnerungen, sondern ich spürte was die beiden Bestien gespürt hatten, als sie gestellt wurden. Zuerst Schmerz der sich langsam in einem Maße steigerte, dass ein Mensch davon wahnsinnig werden müsste.
Aber genau dort brach der Schmerz ab. Verhallte wie eine ferne Erinnerung. Nur um dann zurückzukehren, als sie sich bereits vor ihm sicher wähnten. Es gab kein Entkommen, keine Flucht in die Ohnmacht.
Selbst aus dem Zustand wurden sie zurück ins Bewusstsein gerissen. Nur bei Bewusstsein verspürt man Schmerz. Und Angst. Und sie hatten Angst, Todesangst, niemals zuvor hatten sie solche Angst gehabt.
Dann begann der Schmerz erneut, so als hätte man ihnen flüssiges Metall in die Schädel gegossen. Sie schrien lautlos, denn ihre Körper gehorchten ihnen schon lange nicht mehr.
Es folgte die Schwärze.
Ein Funke, eine andere Perspektive der Wahrnehmung - die Sicht ihres Häschers. Ich sah und spürte die Farben der Monster. Irritiert, hilflos, blass und so jämmerlich klein.
Schwarze Fäden durchzogen auf einmal diese Farben. Wickelten sich darum, drangen wie Spieße in sie ein. Die Fäden verdichteten sich, durchstießen die Farben und quollen aus ihnen hervor. Eine tödliche Umarmung...
Synchron wickelten sich gleißend helle Fäden um die Farben. So als würden die Sonne und die Nacht darum wetteifern sie zuerst zu zerstören. Und dann, wie aus einer Explosion heraus, wurden die Farben von innen heraus zerfetzt, so dass sie in tausende Teile zerbarsten.
Ansgar hatte sie getötet, damit ich in Frieden leben konnte.
Das war sein Geschenk an mich.
Varmikans und Deins war Liebe. Danke dafür und fürs Zuhören´, erklärte Dave mental.