Ferrau rannte, als sei der Henker hinter ihm her - was daran lag, dass er es tatsächlich war. Während der Tross sich abreisefertig machte, jagte Dominique den faulen Ferrau durch das Schloss. Der Leibdiener nahm die Beine in die Hand, während der Henker ihm wie ein wütender Stier auf den Fersen war. Ferrau jedoch war schneller. Schlank und wendig wie er nun einmal war und darin geschult, sich vor jeder anfallenden Pflicht gekonnt zu drücken, schlug er Haken, bog in schmale Seitengänge ein, versteckte sich in einem ziemlich verstaubten Alkoven und ließ den Henker an sich vorbeirennen.
"Auch du entkommst deiner Strafe nicht, Ferrau", heulte Dominiques Stimme durch den steinernen Gang wie das Heulen eines entfesselten Burggeists aus dem schaurigsten Verlies. Die Stimme wurde lauter, Dominique trampelte an ihm vorbei und dann wurde sie wieder leiser. Zufrieden mit seiner Finte streckte Ferrau den Kopf aus dem Alkoven und sah dem entschwindenden Henker nach, während er selber in die andere Richtung davoneilen wollte. Da prallte er gegen eine Rüstung.
"Monsieur Du Trieux?", fragte der Gardist und blickte auf ihn herab.
Wie vom Korgox gebissen wendete der Henker, der schon ziemlich weit entfernt war, als er Ferraus Namen hörte und eilte zurück. Ferrau war nun zwischen zwei Männern mit der Statur von Kleiderschränken eingekesselt. Es gab kein Entkommen. Er ergab sich seinem unausweichlichen Schicksal und ließ betrübt die Schultern hängen.
"Danke, Monsieur Gardist", brummte Dominique höchst zufrieden, packte den besiegten Ferrau am Schlafittchen und schliff ihn zurück zum Thronsaal. Ferrau durfte nicht laufen, er musste in aller Schande der Länge nach von Dominiques Faust herunterhängen, während die Beine hinter ihm herschliffen, so dass er von oben bis unten mit Dreck gepudert war.
"Bedaure", erklärte einer der Ehveroser, der die Tür zum Thronsaal bewachte. "Souvagne macht sich gerade zum Aufbruch bereit. Das gesamte Gefolge befindet sich bereits in der untersten Etage oder den Außenanlagen."
"Aber ich bin des Ducs persönlicher Henker!", brüllte Dominique, bis ihm auffiel, dass er Ferrau ja gar nicht zu diesem, sondern zum Prince schaffen musste und ihn gar nicht vor den Augen seines Herrn hinrichten durfte. Er murrte. "Na schön. Hast noch mal Glück gehabt." Er schüttelte Ferrau etwas.
Er schliff ihn weiter durch das Schloss wie ein zu groß geratenes Kätzchen, dass man im Genick herumtrug, bis er Ciel fand. Zwar trug das Princelein wie immer eine nahezu gleichmütige Miene zur Schau, doch Dominique war ein Meister darin, Körpersprache zu lesen und zu deuten. Ciels Körper war gespannt wie eine Bogensehne. Als er Ferrau entdeckte, der von Dominiques Faust herabbaumelte, erhellte sich sein Gesicht. Dominique warf ihm den Faulpelz vor die Füße.
"Erwischt beim untätigen Nichtstun und dem Ausüben unsouvagnischer Trägheit, Durchlaucht", berichtete er Ferraus Missetaten. "Betrachtete vor Faulheit nur Strotzend die Wandgemälde, zwang mich zu einem Dauerlauf, versteckte sich in einem Alkoven und rempelte einen unschuldigen Gardisten an!"
Dominique überließ den in Staub gepuderten Faulpelz dem Gericht seines Herrn und eilte zurück zum Thronsaal.
"Bedaure", erklärte der Wachmann das zweite Mal. "Souvagne macht ... waren Sie nicht gerade eben schon mal hier?"
"Ich muss zu Maxl!", polterte Domi und öffnete die Tür. Die Wächter sahen sich an und zuckten die Schultern. Sie hatten keinen Befehl erhalten, irgendwem den Zutritt zu verwehren, also ließen sie den Mann eintreten. Dominique erblickte einen im Vergleich zu vorher nahezu leergefegten Thronsaal.